Moderne Technik ermöglicht umweltverträgliche Kreislaufwirtschaft: Das Bio-LNG aus Darchau wird als Lkw-Treibstoff eingesetzt. In der Biogas-Verflüssigung und -Lagerung der Anlage sind zahlreiche HEROSE-Ventile im Einsatz.
Es pfeift und zischt in den Leitungen – wir stehen zwischen der Cold Box und dem großen doppelwandigen LNG-Lagertank. Leise dringen das Muhen und das gelegentliche Brüllen der 1599 Bullen von den nahegelegenen Ställen herüber. Aus der Gülle, den einer dieser Bullen in 12 Monaten produziert, entsteht hier flüssiges Bio-LNG, das einen Gas-Lkw rund 725 Kilometer fahren lässt. Insgesamt werden hier über 900 Tonnen Bio-LNG pro Jahr produziert.
Kreislaufwirtschaft und eine lange Wertschöpfungskette
Die Ruhe Unternehmensgruppe setzt Ökonomie und Ökologie in den Fokus. Das Ziel sind innovative Lösungen und eine optimierte Kreislaufwirtschaft. Das Ergebnis: Deutschlands erste Kompaktanlage zur Produktion von Bio-LNG aus Biomethan steht in Darchau an der Elbtalaue und zeigt, dass es funktioniert. Durch die langjährige Erfahrung mit Biogasanlagen hat sich das Unternehmen vom Betreiber zum Konzept- und Komponentenlieferanten entwickelt und ist zum Anlagenbauer für die Methanverflüssigung geworden. Dazu bietet Ruhe auch die Vermarktung der erneuerbaren Gase, Nachhaltigkeitszertifizierungen und Wartungsservices an.
Bio-LNG – grüner Kraftstoff für die Energiewende
Die Biogasanlage Darchau versorgt fünf Blockheizkraftwerke mit Energie und produziert günstigen und nachhaltigen Strom, der in das öffentliche Netz eingespeist wird. Die dabei anfallende Wärme versorgt rund 280 Haushalte und öffentliche Einrichtungen. Aus Biogas können nicht nur Strom und Wärme gewonnen werden, sondern auch Kraftstoff erzeugt werden. Die LNG-Verflüssigungsanlage ergänzt die bestehende Biogasanlage seit Oktober 2022. Die Mikroverflüssigungstechnologie erzeugt mit Bio-LNG einen flüssigen, sauberen Kraftstoff mit null Emissionen und einer neutralen CO₂-Bilanz, ohne dass teure Kühlflüssigkeiten wie Stickstoff genutzt werden müssen.
Bullengülle und Mist als Energielieferant
Ein Teil des Ausgangsmaterials für das Biogas entsteht ganz natürlich bei der Bullenmast – Mist und Gülle der Rinder enthalten viel Energie. In den sechs großen Ställen stehen 1599 Mastochsen in der Haltungsform 3. Die Tiere kommen mit 6 Monaten und einem Gewicht von etwa 200 Kilo in den Betrieb, sie bleiben 12 Monate, bis zu einem Gewicht von über 750 Kilo. Ihre Hinterlassenschaften werden unterirdisch per Rohrleitung zur Biogasanlage befördert. Um die Wertschöpfungskette zu verlängern, ist eine in der Region liegende Fleischmanufaktur angegliedert, die das hochwertige Fleisch veredelt. Der Großteil des Fleisches wird in Lohn geschlachtet und direkt vermarktet.
Aus dem Stall in den Fermenter
In den zwei 5000 Kubikmeter großen Fermentern wird das organische Material unter Luftabschluss bei etwa 40 °C ersetzt, wodurch Methan entsteht. Die Behälter sind isoliert und werden mit regenerativ erzeugtem Strom beheizt. Über Schubböden und Schnecken wird das Material eingebracht und vermengt. Die Gärung dauert zwischen 40 und 70 Tagen – je nach Gärmenge und Bedingungen. Durch das ständige Nachfüttern der Fermenter läuft immer ein gewisser Teil in die Gärrestbehälter über. Je nach Jahreszeit läuft dort der Gärprozess weiter, bis das Material auf unter 30 °C abgekühlt ist.
In den drei jeweils 10.000 Kubikmeter großen Gärrestlagern bleibt das zurück, was nicht vergärt: viel Wasser und holzige Strukturen, die von den Bakterien nicht zu Biogas umgesetzt werden können. Diese Reste sind bester Dünger für die Felder – besser und umweltfreundlicher als Frischgülle, weil auf dem Feld keine Methan-Ausgasung mehr stattfindet. Es ist also ein kompletter Kreislauf: Landwirtschaft plus Energiegewinnung, die zu 100 Prozent aus landwirtschaftlichen Reststoffen betrieben wird.
- Am Lagertank für tiefkalt verflüssigtes CO2 sowie Bio-LNG
- Auf Rohrleitungen zwischen Verflüssigung des Bio-Methans, der Lagerung sowie der Abfüllstation
- Am Lagertank für tiefkalt verflüssigtes CO2 sowie Bio-LNG zum Aufbau von Sicherheitsventilen
- Zur Nutzung im Wartungfall von Sicherheitsventilen
- Absicherung von Drucktragenden Behältern (Speicherung CO2 und Bio-LNG) und Rohrleitungen
- Druckabsicherung der Prozesse zur Trennung von Methan und CO2 in Membrananlagen
- Steuerung des Bio-LNG-Flusses in Rohrleitungen vom Lagertank zur Tankstelleneinheit
- Steuerung des Massenstromes im Dispenser
- Entspannungsventil in der Cold-Box zur Verflüssigung von Bio-Erdgas zu Bio-LNG
- In Rohrleitungssystemen zwischen Verflüssigung, Lagerung und Verladesystem
Aus Mist wird Energie – die Biogasproduktion
Das entstehende Gas besteht zu 52 Prozent aus Methan, zu 46 Prozent aus CO₂ und aus Begleitstoffen, wie Sauerstoff und Stickstoff. Durch eine Reinigung werden Schwefelwasserstoff sowie Wasser entnommen. Das Gas kommt dann in die Stichleitung – entweder zu den Blockheizkraftwerken in der Region oder in die neue Methan-Verflüssigungsanlage. Hier beginnt die Feinreinigung: Der Aktivkohlefilter entfernt feine Schwefellasten und Ammoniak sowie Teile der flüchtigen organischen Kohlenstoffe, um die Aufbereitungstechnik zu schützen.
Für das Bio-LNG verarbeiten wir 100 % Mist und Gülle – da kommt kein nachwachsender Rohstoff hinein.
Florian Menke, Marketing Manager RUHE Biogas
Trennung von Methan und CO₂
Die Trennung von Methan und CO₂ erfolgt mithilfe von Hohlfasermembranen. Das Gas wird auf 14 bar gedrückt und durchläuft die Hohlfasermembranen – hier diffundiert das CO₂ schneller und kann abgeschieden werden. Das dreistufige Membranverfahren erreicht eine Biomethan-Reinheit von über 98 Prozent und man verliert deutlich weniger Methan im Gegensatz zum Druckwechselverfahren.
In der sogenannten Cold Box findet dann die Methan-Verflüssigung statt. Ein Kompressor verdichtet das Gas auf über 100 bar. In der Cold Box befinden sich mehrere Joule-Thomsen-Ventile, in diesen Ventilen wird immer ein Teil des Gases entspannt. Die dabei entstehende Entspannungskälte wird genutzt, um das Biomethan herunterzukühlen und schließlich bei –155 °C zu verflüssigen, sodass es danach in den Vakuumtank eingeleitet werden kann.
Saubere Energie durch Bio-LNG
Der doppelwandige 60-Kubikmeter- Lagertank hat ein Nutzvolumen von 24 Tonnen LNG. Ungefähr alle 8 Tage holt ein Tanklastwagen 18 Tonnen Bio-LNG ab und bringt es zu einer Tankstelle in Lehrte, wo es kiloweise als Lkw-Treibstoff verkauft wird. Im Vergleich zu einem Liter Diesel hat ein Kilo LNG ca. die 1,4-fache Energiemenge. Dabei ist das Kilo LNG etwa so teuer wie der Dieseltreibstoff. Das Bio-LNG wird nicht subventioniert, es muss mit dem Diesel konkurrieren. Das LNG-Tankstellennetz in Deutschland wächst enorm. Inzwischen sind es an die 160 Tankstellen. Damit sind wir Spitzenreiter in Europa.
Elf Verflüssigungsanlagen sind derzeit in der konkreten Planung oder in der Umsetzung – das Konzept funktioniert.
Justus Ruhe, Vertriebsingenieur RUHE Biogas (nicht verwand mit Kunibert Ruhe)
Keine Abgase durch CO₂-Verflüssigung
In einem weiteren Prozessschritt soll das CO₂ in eine flüssige Form überführt werden – bei etwa minus 25 °C. Geplant ist eine angeschlossene Trockeneisanlage, die aus dem flüssigen CO₂ Trockeneispellets herstellt. Diese Pellets sollen dann im Hamburger Raum in Häfen und am Flughafen zur Kryo-Kühlung von Frachten genutzt werden. So lässt sich auch das im Prozess gebundene CO₂ für einen industriellen Zweck nutzen und dadurch fossiles CO₂ in anderen Prozessen reduzieren. Die Kohlendioxid-Verflüssigung steht kurz vor der Inbetriebnahme.
Kreislaufwirtschaft zu Ende gedacht
Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft mit möglichst langer Wertschöpfungskette ist das Ziel der Ruhe Unternehmensgruppe. So kommt das Bio-LNG auch in den eigenen landwirtschaftlichen Fahrzeugen zum Einsatz. Die Technik ist vorhanden, ein guter Teil des Schwerlastverkehrs ließe sich schnell und problemlos auf den Einsatz von Bio-LNG umstellen. Man ist auch mit Herstellern von Landwirtschaftsmaschinen im Gespräch – der Vorteil leuchtet ein, wenn man gleichzeitig Hersteller und Nutzer umweltfreundlicher Energie sein kann. Bei Ruhe möchte man alles abdecken, was mit Koppelprodukten möglich ist. Weitere Ideen und Innovationen könnten die Anlagen ergänzen, ob Wasserstoff oder Bio-Methanol: Von der Pflanze über das Tier und wieder zurück auf das Feld – im Prozess grüne Energie gewinnen und selbst nutzen, dabei die Wertschöpfungskette bis zum Ende durchdenken. Es ist ein spannendes Konzept, ermöglicht durch modernste Technik.
Die Ruhe Unternehmensgruppe
Unternehmensgründer Kunibert Ruhe ist als gelernter Landwirtschaftsmeister ein Pionier im Bereich Biogas in Deutschland. Die Ruhe Biogas Service GmbH führt heute sein Sohn Maximilian Ruhe. Die Unternehmensgruppe setzt auf nachhaltige Landwirtschaft und moderne Technik für eine optimierte Kreislaufwirtschaft. Das innovative Familienunternehmen arbeitet mit Forschungseinrichtungen und Universitäten zusammen.